Im Salzlager der Zeche Zollverein fotografierte ich die Premiere. Hier der Pressetext, der es sehr gut trifft.
“Anlässlich des großen Jubiläums soll es hier einmal nicht um Beethoven, den Meister für die weltbewegenden Momente gehen. Stattdessen erwarten Sie in einer Atmosphäre behaglicher Kaffeehaus-Melancholie eine „frische Liedertafel“ mit vielen überraschenden Beethoven-Stücken, ein wunderbarer Pianist, eine „ferne Geliebte“ (die auch Rossini singen kann), und ein charmanter Wiener Kellner, der die ganzen Geschichten kennt und erzählt – mit ironischem Ernst und „immer ein bissl das Herz dabei“.
Am Ende hoffen wir alle zusammen auf einen angenehmen Abend, an dem das scheinbar Unauffällige, Unspektakuläre zum Außergewöhnlichen wird.
Beethoven ist ja gern ins Kaffeehaus gegangen, oft durch die Hintertür, damit ihn vorn die Leut nicht ansprechen. Mit Tabak-Pfeiferl, Kaffee und Zeitung saß er dann da, eigenbrötlerisch versunken und doch immer voller Sehnsucht nach einem echten Gegenüber, nicht bloß einer fernen Geliebten …
Das soll das Thema des Abends sein: DIE SEHNSUCHT NACH DEM DU, das der einsame Titan auf seinem Denkmalsockel immer gesucht hat. Während er einsam Kunstwerke für die Ewigkeit schuf, verzehrte er sich in Liebessehnsüchten nach Damen, die er nie haben konnte. Am Ende bleibt ihm nur die Kunst als virtuelle Apotheose der Freundschaft: der, dem es nie recht gelingen wollte, eines Freundes Freund zu sein, der umschlingt nun Millionen, um danach in seiner stummen, tauben Einsamkeit am liebsten Werke zu schaffen, die das Heroische nicht mehr ohne die Verletzlichkeit denken können.
Davon erzählt unser Kellner, davon singen die Mezzosopranistin und der Chor, aber vor allem, dass dieser Prometheus immer auch ein biedermeierlicher Bürgersmann war, der beim Heurigen durchaus lustige Abende mit Gesang und Mödlinger Tänzen verbringen konnte. Das zeigen die vielen Gelegenheitswerke, von denen ein paar hübsche Perlen an diesem Abend im Café Beethoven erklingen werden. Zum Beispiel ein Kanon auf den Erfinder des Metronoms, eine Huldigung für den Mäzen Lobkowitz oder ein fröhliches Zecherliedchen von Goethe.
Aber auch Schuberts Winterreise, geschrieben in Beethovens Todesjahr, wird hereinwehen wie ein Echo auf Beethovens finster-kalte Tage nach dem Wiener Kongress. Oder Rossini, der ungleiche Rivale. Oder Bach, das Fundament. Auch die Gefangenen aus dem Fidelio singen ihr Wir werden frei. Und irgendwo hört man sogar etwas aus der Neunten.
Das letzte Wort aber hat die Liebe, auch wenn sie sich für Beethoven als Utopie nur in der Kunst erfüllt:
Nimm sie hin denn, diese Lieder, die ich dir, Geliebte, sang.
Singe sie dann abends wieder zu der Laute süßem Klang.
Dann vor diesen Liedern weichet, was geschieden uns so weit.
Und ein liebend Herz erreichet, was ein liebend Herz geweiht.“
Mezzosopran: ELVIRA BILL
Schauspieler: THOMAS WEISSENGRUBER
Klavier: CHRISTOPHER BRUCKMAN
Regie: JÜRG SCHLACHTER
Bühne und Kostüme: GESA GRÖNING
CHORWERK RUHR
Künstlerische Gesamtleitung: FLORIAN HELGATH